Schloss Cracau

 

Mit dem Rokoko-Schlösschen ist ein Teil der Familiengeschichte verbunden. Daher ist es wert, etwas genauer beschrieben zu werden. Schließlich existiert dieses ehemalige Kleinod des linken Niederrheins seit 1943 nicht mehr.

 

Im Jahre 1417 wird Cracau als Festung zum ersten Mal erwähnt und zwar anlässlich des Todes des Grafen Friedrich III. zu Moers. Man kann folglich annehmen, dass die Festung um diese Zeit gebaut wurde.

 

Erst im August des Jahres 1586 taucht der Name Cracau wieder auf, als es von den Spaniern unter dem Herzog von Parma belagert und erobert wurde. Der spanische Nationalstaat, also die Vereinigung der Königreiche Kastilien und Aragon war durch die Ehe zwischen Ferdinand II. von Aragon und Isabella I. von Kastilien geschaffen worden. Danach begann mit den Reisen von Kolumbus die Entwicklung des spanischen Weltreiches. Dann jedoch wendete sich das Blatt.

 

Die Heirat der Thronfolgerin Johanna mit dem schönen Beinamen „der Wahnsinnigen“ mit Philipp I. von Habsburg brachte die Habsburger mit Karl I. (dem römisch-deutschen Karl V.) auf den spanischen Thron.  Aufgrund der Vielfalt der militärischen Aufgaben und des Kampfes gegen die Türken vermochte Karl I. Frankreich nicht entscheidend zu schwächen. Vielmehr konnte sich Frankreich zur Zeit von Philip II. wieder erheben und die Seeherrschaft ging durch den Verlust der spanischen Armada auch verloren. In diesen Kriegen ging es den spanischen Königen um den Kampf gegen den Protestantismus. Es gelang Philipp jedoch nicht, den protestantischen Teil der Niederlande und das protestantische England wieder zum Katholizismus zurück zu gewinnen.

 

 

Erinnerungen_an_Cracauen_2.jpg
web_Bild2.jpg

1601 wurde Cracau vom Baron van Cloudt im Auftrag des Prinzen von Oranien wieder in Besitz genommen.

 

Aber am 5. November 1605 wechselte der Besitzer wiederum, als Cracau von den Spaniern unter General Bucquoi belagert wurde und sich zwei Tage später die Besatzung ergab.

1608 wurde die Grafschaft Moers, die Herrlichkeit Krefeld und Cracau neutral erklärt und im Jahre 1609 übernahm Prinz Moritz von Oranien Moers und Cracau aufgrund des Interimsfriedens zwischen den Spaniern und Niederländern.


Im Jahre 1678 wird die alte Festung Cracau auf Befehl des Prinzen von Oranien abgerissen. Die Trümmer lagen bis 1720 herum, das Gelände sah, so die Literatur „öd und wüst“ aus. 1702 fiel die Grafschaft Moers und damit auch Cracau nach dem Tod von Wilhelm III. an Preussen.

 

web_Bild3.jpg

Als im Jahre 1719 der Mennonit Hubert Rahr und andere die Domäne Cracau pachtete, um dort eine holländische Bleicherei und Essigfabrik zu errichten, konnten die Trümmer der geschleiften Festung zum größten Teil für den Neubau wieder verwendet werden. Auch in der Kirche in Fischeln, einem Vorort von Krefeld, sollen Bruchsteine der Festung verwendet worden sein. Schon damals kannte man also Recycling. Das neue Schlösschen entstand in den Jahren 1720 – 1724. Damals war es noch von den Wassergräben der alten Festung umgeben, die durch die Kuhlen, also die alten Rheinarme, mit Wasser versorgt wurden. Die Gegend muss ziemlich morastig und feucht gewesen sein. Das Grundwasser stand nur wenige Zentimeter unter der Bodenoberfläche, ein Grund, warum Cracau anfangs über keine richtigen Keller verfügte.


Erst 110 Jahre später, also 1834, wurde der Saal mit einem kleinen Keller und Obergeschoß angebaut. Auch die Küche mit dem Flachdach entstand um diese Zeit. So hat das Schloss in der letzten Form ein Alter von 223 Jahren erreicht, bevor es 1943 für immer zerstört wurde.

 

Hubert blieb Pächter und betrieb die Essigfabrik bis zu seinem Tode. Daraufhin wurde Pacht und Fabrik an seinen einzigen Sohn Johannes übertragen. Nach dem Tod von Johannes Rahr trat seine Witwe, Elisabeth Rahr geb. Sohmann in seine Rechte ein. Ihr Schwiegersohn Heinrich von Beckerath führte die Verhandlungen zur abschließenden Umwandlung der Erbpacht in einen Kauf. Der Vertrag wurde am 16. März 1779 von Friedrich dem Großen durch Unterschrift bestätigt. Nach dem Tode Elisabeths ging der Besitz von Cracau durch Erbe an Heinrich von Beckerath über, so dass dieser der erste Besitzer Cracaus mit dem Namen von Beckerath wurde.

web_Bild4.jpg

Seine Söhne Heinrich und Gerhard von Beckerath gründeten die Seidenfärberei Gebr. von Beckerath. Beide Brüder heirateten die Schwestern Catharina Charlotte von Beckerath und Susanna Regina von Beckerath, die Töchter der Eheleute Leonhard von Beckerath und Friederike Charlotte geb. Kaibel. Die Väter Leonhard und Heinrich gehörten zu zwei verschiedenen Familienstämmen. Die Familien Heinrich und Gerhard von Beckerath hatten zusammen 15 Kinder.

 

Auf Cracau befasste man sich mit der Seidenfärberei und –ausrüstung. Heinrich machte dazu verschiedenste Geschäftsreisen zum Beispiel nach Oberitalien, die er sorgfältig dokumentierte und mit selbst gemalten Reisebildern illustrierte.

 

Bevor die von-Beckerath-Straße, die Bogenstraße und die Straße „Am hohen Haus“ gebaut wurden, hatte Cracau ein riesiges Grundstück, welches von der Cracauer Straße bis zur Uerdinger Straße reichte. In ihm befanden sich vielerlei Pflanzen und Bäume, ein Haselnußwäldchen, Obstgarten, Treibhaus, Spielplatz und sogar ein kleiner Teich mit Springbrunnen.

 

Über Jahrzehnte wurden aber immer wieder Teile des Grundstückes verkauft. Es gab einen Flächenbedarf, der aus der Stadterweiterung von Krefeld her rührte. Da wohl die Textilgeschäfte auch nicht immer gut liefen, war man seitens der Brüder Heinrich und Gerhard sowie später deren Söhne bestrebt, das Einkommen durch gelegentliche Verkäufe aufzubessern. Ursprünglich hatte das Grundstück eine Größe von etwa 45.000 m².

 

Erinnerungen an Cracauen
Erinnerungen an Cracauen
Erinnerungen an Cracauen
Erinnerungen an Cracauen
cracaun2.jpg

Zentraler, wichtiger Raum war der sogenannte "Saal", der sich im Anbau befand. Hier sollen am Grotrian-Steinweg Flügel Brahms, Mendelssohn und Schumann gespielt haben, was allerdings nicht verbürgt ist. Fest steht aber, dass die Familie Alwin von Beckerath mit Brahms befreundet war und dieser oft in Krefeld weilte und dort auch musizierte. Im Saal befanden sich viele Kunstwerke, die Raimund bei der Versteigerung der Sammlung von Adolph von Beckerath in Berlin ersteigert hatte.

 

web_Bild12.jpg

Als in der Nacht des 21. Juni 1943 die Sirenen aufheulten, begaben sich die letzten Bewohner Cracaus, Paula von Beckerath geb. Zohlen sowie der bekannte Krefelder Maler Rudolf Perpeet (1904-1988) und seine Frau Gerda, die zeitweise bei ihr auf Cracau wohnten, in den kleinen Luftschutzkeller, der von der Küche aus erreichbar war. Zwar war damals noch ein Notausgang geschaffen worden, aber dieser wurde gleich durch die erste Bombe verschüttet.  Dann regnete es Brandbomben auf das alte Haus, die sofort zündeten und ganz Cracau in Flammen aufgehen ließ. Perpeets und Paula konnten mit Müh und Not durch die bereits brennende Küche und dann durch das Tor auf die Straße flüchten, wo sie in dem großen Nachbargebäude Schutz fanden.

 

Tage nach dem Bombenangriff begann die Familie, im Schutt zu graben, um noch geschäftliche Unterlagen und Papiere zu finden. Tatsächlich fand sich in 2 Meter Tiefe der Geldschrank, der aber noch so heiß war, dass er nicht geborgen werden konnte.


Erst 8 Tage später konnte man ihn herauswuchten. Er wurde aufgebrochen und tatsächlich fanden sich die Geschäftsbücher noch so unversehrt, dass sie sorgfältig abgeschrieben werden konnten, ehe sie in Staub zerfielen. Zigarrenkisten, die Paulas verstorbener Mann Raimund dort eingelagert hatte, schienen zur großen Freude seines Sohnes Bruno unbeschädigt geblieben zu sein.  Aber als er sie öffnete, hatten sich die von Raimund geliebten blonden Feinhals-Zigarren zu seiner großen Enttäuschung in schwarze Brasil verwandelt, die sich leider als ungenießbar erwiesen.

 

Am 11. Januar 1944 wurden die restlichen, noch stehenden Mauern bei einem weiteren Bombenagriff dem Erdboden gleich gemacht.

 

web_Bild13.jpg web_Bild14.jpg

 

Einziges, heute noch sichtbares Relikt des Anwesens Cracau ist das sogenannte "Hohe Haus", ein zweistöckiges, repräsentatives  Wohnhaus, welches in der südöstlichen Ecke des Grundstückes an der Straßenverbindung Bogenstraße / Am hohen Haus in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Familie Heinrich von Beckerath erbaut wurde. Es ist aus dem gleichen Material, den dunkel rot-braunen Ziegelsteinen gebaut und der Baustil ist mit dem des Schlösschen Cracau nahezu identisch.

 

Es erlaubt uns somit einen kleinen, zeitlichen Rückblick, wie das heute nicht mehr existierende Cracau wohl ausgesehen haben mag. Das "Hohe Haus" wurde auf den ehemaligen Burgmauern der alten Festung Cracau gebaut. Bei Renovierungsarbeiten wurden vor einigen Jahren ehemalige Ställe und Kellerräume entdeckt, die heute einer Weinhandlung als repräsentative Verkaufsräume dienen.

 

P5161811.JPG